Es ist ein großes Missverständnis, dass das Speedca:sting nur eine „Nachwuchs-Veranstaltung“ sei. Eine, die es – wie viele Kolleginnen und Kollegen aller Altersgruppen – richtig verstanden hat, ist Ulrike Folkerts. die seit 1989 deutschlandweit als Tatort-Kommissarin bekannt ist. Warum sie dennoch am Speedca:sting teilnimmt? Genau deshalb! Im spontanen Interview am Rande des bereits elften Branchentreffens in München erklärte sie Oliver Jensen ihre Beweggründe.
(Fotos Julina Bauer/castmag.de)

Frau Folkerts, Sie haben nun acht Gespräche von jeweils fünf Minuten beim Speedca:sting* geführt. Was war das für ein Erlebnis?
Es ist erstaunlich, wie kurz oder wie lang fünf Minuten sein können. Je nachdem, wie das Gespräch so verläuft. Es war sehr intensiv. Ich habe natürlich den kleinen Vorteil, dass mich die Leute schon so ein bisschen kennen – oder zumindest glauben zu kennen. Deshalb bin ich ja hier, weil ich das ein bisschen zurechtrücken möchte. Die Leute kennen ja nur die eine Seite von mir. Für mich war es schön, einfach mal erzählen zu können, was ich mir als Schauspielerin so wünsche – nämlich die Seite zu wechseln. Als Kommissarin ist man immer diejenige, die den Kollegen einen riesigen Platz bietet, sodass diese sich die Seele aus dem Leib spielen können. Ich darf in meiner Rolle Fragen stellen und zuhören. Dabei würde ich mir auch gerne einmal die Seele aus dem Leib spielen. Das konnte ich bei den Gesprächen hier unterbringen. Ich fand es schön, dass die Leute mir das Gefühl gegeben haben, sich wirklich für mich zu interessieren. Und es gibt jetzt schon Ansagen, dass man mir schreiben würde und mit mir im Kontakt bleiben möchte, sodass man vielleicht einmal zusammenarbeiten könnte. Und erstaunlicherweise hat mich kein Regisseur gefragt, ob er mal den Tatort machen darf. Damit hatte ich fast gerechnet (lacht).
Dann hätte sich der Regisseur praktisch bei Ihnen beworben…
Genau. Einmal habe ich von mir aus gefragt, ob sich derjenige vorstellen könnte, den Tatort zu machen. Die Antwort lautete dann: „Natürlich!“ (lächelt)
Sie sind schon sehr lange in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft eine etablierte Schauspielerin. Wie viele von den acht Besetzern, mit denen Sie heute gesprochen haben, kannten Sie bereits vorher persönlich?
Niemanden. Denn durch meinen Job, den ich als Tatort-Kommissarin habe, habe ich nur ganz selten mit Castern oder Produzenten außerhalb des SWR Kontakt. Ich scheine auf diese Rolle so festgelegt zu sein, dass sich viele denken: „Ach, die kenne ich bereits, die passt nicht“. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Aber ich kann mir das jedenfalls nur so erklären. Ich muss mich selber ein bisschen in Bewegung setzen, um in Kontakt zu kommen. Das Speedca:sting war jetzt die Gelegenheit für mich.
Wie kam es zu dem Entschluss, dass Sie am Speedca:sting gerne teilnehmen würden?
Der Gedanke entstand in den letzten zwei, drei Jahren bei mir. Mir ist klar geworden, dass ich mich einfach in Bewegung setzen möchte, wenn ich noch einmal etwas anderes spielen möchte als die Kommissarin. Es kommt kein Anruf von jemandem, der dann sagt, ich solle mit nach Japan fahren und dort einen super Film drehen. Darauf könnte ich lange warten, das wird nicht passieren. Ich muss selber etwas machen. Aber ich wusste lange nicht, was ich machen kann. Meine Agentin sagte zu mir, ich solle Caster kennenlernen. Aber dazu ist es nicht gekommen. Von daher war das Speedca:sting die beste Gelegenheit, um mit vielen Menschen in kurzen und unkomplizierten Momenten auf Tuchfühlung zu gehen, einen Eindruck zu hinterlassen und auch selber einen Eindruck von den Leuten zu kommen, die sich Formate überlegen und besetzen.
Waren die Besetzer überrascht, dass Ihnen
eine Tatort-Kommissarin beim Speedca:sting gegenübersitzt?
Ja, sie waren überrascht. So ganz nach dem Motto: „Ach, was machen sie denn hier?“ Aber die Leute waren auch neugierig. Daher hat das Spaß gemacht, ihnen mitzuteilen, worum es mir geht. Das ist bei den Leuten sehr gut angekommen.
Wie sind Sie die Bewerbungsszene für das Speedca:stingangegangen?
Ich bin mit so etwas völlig unerfahren, weil ich selber ja nie ein E-Casting gemacht habe. Ich musste erst einmal überlegen, wie das überhaupt geht. Ich habe dann gemeinsam mit einer Kollegin beim Tatort ein bisschen herumprobiert, als wir in der Drehpause ein bisschen Zeit dafür hatten. Allerdings hatte ich keine gute Location dafür, sondern lediglich mein Wohnmobil. Das gefiel mir überhaupt nicht. Daher habe ich das zu Hause gemeinsam mit einer Freundin, die mich sehr gut kennt, noch einmal gemacht. Ich habe mir dann auch noch viel Gedanken gemacht, wie ich die Szene am besten spielen kann. Ich fand nämlich, dass das total geil geschrieben war. Daher wollte ich ein bisschen etwas Neues ausprobieren. Als ich mir dann die Szene angeguckt hatte, war ich wieder nicht zufrieden – der Ton hallte, das Licht war schlecht. Ich habe die Szene zehnmal aufgenommen, bis ich dann so einigermaßen zufrieden war. Also hatte ich es abgeschickt – und nach einiger Zeit wieder vergessen. Ich hatte daher für diese Zeit bereits meinen Urlaub in Little Italy gebucht, als die Einladung kam. Also bin ich während meines Urlaubs nach München zurückgekommen, um hier beim Speedca:sting sein zu können. Und morgen fahre ich wieder zurück in den Urlaub.
Werden Sie gelegentlich auch noch für Rollen außerhalb des Tatort-Kosmos angefragt?
Doch, das kommt schon noch vor. Ich durfte 2015/2016 in Salzburg zum Beispiel als erste Frau den Tod spielen. Das war ein Ritterschlag. Gelegentlich habe ich auch für das ZDF oder auch schon einmal für RTL gedreht. Das Ding ist, dass mir, wenn dann immer gleich die Hauptrolle angeboten wird. Dabei muss ich gar nicht unbedingt immer eine Hauptrolle haben. Ich würde auch gerne einmal die Freundin der Hauptrolle spielen. Oder ich wäre auch gerne einmal die Person, die in der Geschichte alles durcheinanderbringt und den Hauptrollen Probleme bereitet. Ich möchte gar nicht immer, wie im Tatort, eine positive Rolle spielen. Es gäbe so viele spannende Geschichten über Frauen in meinem Alter. Daher habe ich nun selber mit dem Schreiben angefangen, um mir eine passende Rolle auf dem Leib zu schreiben. Ob mir das gelingt, weiß ich nicht. Aber ich probiere es, hole mir dann irgendwann Fachpersonal dazu und schaue, was dabei herauskommt.
Werden Sie manchmal noch zu Castings eingeladen?
Nein, ich werde ja gar nicht erst eingeladen. Das vergessen die Besetzer komplett. Entweder mir wird eine Rolle angeboten oder ich werde gar nicht erst in Betracht gezogen. Im letzten Jahr gab es eine seltene Ausnahme, als ich zu einem Live-Casting für einen ZDF-Spielfilm eingeladen wurde. Aber ich bin Castings eben überhaupt nicht mehr gewohnt. Meine Aufregung war so groß, dass ich letztendlich auch nicht genommen wurde (lacht).
Interview Oliver Jensen
*Speedca:sting ist ist geschützt gemäß § 5 MarkenG
