Sebastian Werninger ist seit mehr als 25 Jahren für die UFA tätig und seit März 2016 Geschäftsführer der UFA Fiction und UFA Distribution. Zudem fungiert er u.a. als Geschäftsführer der Big Window Productions, einem Label der UFA Fiction. Zu seinen Projekten zählen unter anderem die Literaturverfilmung „Der Medicus“ und viele Fernseh-Events wie „Unsere Mütter, unsere Väter“, „Deutschland89“, „Charité“ oder die RTL-Serie „Gute Freunde – der Aufstieg des FC Bayern“. Im Interview mit ca:stmag erzählt Werninger unter anderem, warum bekannte Namen bei der Besetzung nicht immer entscheidend sind.
Herr Werninger, wie sehr sind Sie als Geschäftsführer der UFA Fiction in die Casting-Prozesse eingebunden?
Das ist von Projekt zu Projekt ein bisschen unterschiedlich. Generell ist das eine gemeinschaftliche Entscheidung. Neben dem Regisseur und uns von der UFA Fiction haben normalerweise auch die Redaktionen und Finanzierungspartner ein Wörtchen mitzureden. Mir ist es generell wichtig, dass sich alle mit der Besetzung wohlfühlen. Bei der Serie „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ war zum Beispiel auch der Headautor und Creative Producer Richard Kropf mit eingebunden.
Wie wichtig sind Ihnen bekannte Namen bei der Besetzung?
Auch das unterscheidet sich je nach Projekt. Bei „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ war von Anfang an klar, dass kein bekanntes Gesicht die früheren Bayern-Spieler Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier, Uli Hoeneß und Paul Breitner darstellen wird. Wir suchten dafür sehr junge Schauspieler, die relativ frisch und den ZuschauerInnen nicht schon durch andere Rollen bekannt sind. Diese haben wir dann auch gefunden. Die Rollen des Managers und Trainers wurden mit Maximilian Brückner oder Sascha Geršak etwas bekannter besetzt. Die Mischung funktioniert sehr gut. Bei manchen Projekten achten wir überhaupt nicht auf Prominenz. Aber es gibt auch Projekte, zum Beispiel kommerzielle Kinofilme, bei denen der Bekanntheitsgrad der HauptdarstellerInnen eine sehr große Rolle spielt.
Können Sie Beispiele bringen?
Wenn das Format an sich einen riesigen Brand hat – wie zum Beispiel der FC Bayern München, den jeder auf der Straße kennt – ist eine prominente Besetzung nicht so wesentlich. Das war völlig anders bei unserem Kinofilm „Ein Fest fürs Leben“, bei dem klarerweise Christoph Maria Herbst der Star ist und auch marketingtechnisch im Vordergrund stand.
Sprechen wir über die Castings. Sie sind als Geschäftsführer der UFA Fiction bei einem Live-Casting zwar nicht vor Ort, bekommen dafür aber oft die Aufzeichnungen der Castings zu sehen. Was beeindruckt Sie dann bei Schauspielerinnen und Schauspielern?
Mich beeindruckt oft die Varianz im Spiel. Also, wenn ich merke, dass eine SchauspielerIn für eine Rolle vorspricht, die er/sie so noch nie gespielt hat und für deren Besetzung er/sie nicht die offensichtliche Lösung ist. Das war zum Beispiel bei Sascha Geršak der Fall, der in der Serie „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ den Trainer Zlatko Čajkovski spielte. Ich glaube, man erkennt an der Bandbreite des Spiels die wirklich großen SchauspielerInnen.
Jüngere Schauspielerinnen und Schauspieler sowie Theaterschauspieler haben meist nicht viel Material. Was halten Sie davon, wenn in solchen Fällen eigene Szenen für das Showreel verwendet werden?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Sachen sind toll und beeindruckend, andere sind eher kontraproduktiv. Wenn die Inhalte zum Beispiel von einer Filmhochschule kommen, ist das von der Fantasie und Gestaltung oftmals sehr gut. Wenn sich jemand aber alleine in einem weißen Raum aufnimmt, muss das Spiel schon außerordentlich gut sein, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Generell sind wir jungen Schauspielerinnen und Schauspielern sehr offen gegenüber. Daher veranstalten wir bei der UFA seit 2008 auch jedes Jahr ein Nachwuchscasting, initiiert von Casting-Direktorin Nina Haun. Im vergangenen Jahr hat Jan-David Bürger, der in „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ den Paul Breitner spielt, das Nachwuchscasting gewonnen.
Ein häufiger Vorwurf in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft lautet, dass immer wieder die gleichen Schauspielerinnen und Schauspieler besetzt werden. Können Sie diesen Vorwurf nachvollziehen oder ist das ein Vorurteil?
Teils-teils. Ich finde, bei uns trifft das nicht unbedingt zu, weil wir sehr breit besetzen. Unsere Disney+ – Serie „SAM – EIN SACHSE“ haben wir zum Beispiel mit Malick Bauer und vielen weiteren SchauspielerInnen besetzt, die vorher noch nie an einer UFA-Produktion mitgewirkt haben. Bei Kinofilmen gibt es hingegen schon die Tendenz, die Hauptrollen prominent zu besetzen. Aber gerade im Fernseh- und Serienbereich ist die Bandbreite größer. Das hängt auch damit zusammen, dass viele neue Player auf den Markt gekommen sind und dass die Streamer nicht immer in erster Linie auf Prominenz setzen. Ich begrüße das sehr.
Ist es ein Bestandteil Ihres Konzeptes, Schauspielerinnen und Schauspieler innerhalb der UFA zu fördern, sodass beispielsweise jemand zuerst Nebenrollen spielt und später eine Hauptrolle übernimmt?
Absolut. Das ist in den letzten 25 Jahren ein Teil der Erfolgsgeschichte der UFA gewesen. Gute Beispiele dafür sind Jonas Nay und Alicia von Rittberg, die mehrere größere Rollen in UFA-Produktionen gespielt haben und heute in der absoluten Top-Liga angekommen sind. Das hat natürlich auch sehr viel mit der Casting-Direktorin Nina Haun zu tun, die vorwiegend für die UFA tätig ist. In unserem Nachwuchscasting schauen wir bereits sehr früh, wer sehr interessant ist und wen wir in unseren vielen Produktionen ausprobieren können.
Wie hat sich das Auftragsvolumen der UFA insgesamt entwickelt?
Es trifft auf die gesamte Branche zu, dass es in den vergangenen drei bis fünf Jahren einen Boom durch die neuen Player gab, der momentan etwas pausiert. Das ist der Wirtschaftskrise, der Inflation und dem Einbruch der Werbeeinnahmen geschuldet. Auch die Streaming-Dienste haben erkannt, dass Wachstum nicht unendlich ist. Sie schauen jetzt mehr auf Rentabilität. Der Boom entstand ja dadurch, dass große amerikanische Tech-Unternehmen in den Markt eingedrungen sind und viel produzieren ließen, ohne wirklich auf das Geld zu schauen. Dies führte zu einer Sättigung und wird nun vermehrt überprüft. Was uns betrifft, hatten wir im Jahre 2023 dennoch ein gutes Auftragsvolumen. Das resultierte allerdings größtenteils aus Aufträgen, die wir bereits vor zwei, drei Jahren verkauft haben. Im Jahre 2024 gibt es auch bei der UFA eine kleine Delle – genauso wie im gesamten Markt auch. Unsere Stärke ist aber, dass wir sehr viele nachlaufende Programmformate haben, sodass wir immer gut zu tun haben, nicht nur in der UFA Fiction, sondern auch in unseren anderen Units der Serial Drama, Show & Factual und Documentary. Klarerweise ist es in den Bereichen Streaming und International Drama gerade etwas ruhiger. Ich gehe aber davon aus, dass wir ab 2025 wieder das Niveau der vergangenen Jahre erreichen.