Tipps: So gelingt als Sprecher der Einstieg in die Gaming-Branche

Die rain productions GmbH in Köln ist vor allem für die Vertonung von Videospielen bekannt. Top-Titel wie „Star Wars Jedi: Survivor“, „Battlefield 2042” oder “Ghost Recon Wildlands”, um nur einige Beispiele zu nennen, wurden dort synchronisiert. Die Projekt-Managerin Melanie Gäb sprach mit ca:stmag über den Auswahlprozess der Sprecher.

Melanie Gäb (Foto Björn Baumert)

Frau Gäb, wie viele Computerspiele werden bei Ihnen vertont? Können Sie ein paar besonders namhafte Produktionen nennen?

Das variiert und kann gar nicht so genau beantwortet werden. Oftmals sind es viele wiederkehrende Projekte mit unterschiedlichem Aufwand. In manchen Monaten haben wir weniger Aufnahmen für Computerspiele, dafür andere Projekte, wie Podcasts, E-Learnings oder Hörbücher. Und in anderen wiederum, z.B. letzten Dezember, haben wir an sieben Projekten gleichzeitig gearbeitet. Das war ein sehr hohes Projektaufkommen!

Können Sie ein paar Tipps geben, wie eine gute Bewerbung als Sprecherin und Sprecher bei Ihnen auszusehen hat? 

In der Regel reicht es völlig, eine E-Mail mit ein paar Sätzen über dich zu schreiben, bitte keinen Roman, und eine Vita mit bisheriger Berufserfahrung sowie Hörproben anzuhängen. Du kannst aber gerne auch vorher anrufen und dich vorstellen. Die E-Mail mit den Infos und Hörproben hätten wir dann trotzdem gerne (lacht).

Können Sie ein paar Tipps zur Hörprobe geben?

Es ist grundsätzlich immer gut, sich den Hauptschwerpunkt des Studios anzusehen. Bei uns sind es vor allem Games, aber auch z.B. E-Learnings. Im Grunde ist es bunt gemischt. Das bedeutet: Wenn möglich nicht nur Sachtexte oder Werbung schicken. Gerne auch etwas sehr Lautes für das Szenario Schlachtfeld, vielleicht ein paar Chargen, verschiedene Emotionen und Situationen. Die Audios sollten nicht zu lang sein, also keine Medleys. Kurze Files oder Ausschnitte reichen völlig aus. Diese bitte einzeln schicken und ordentlich benennen. Das macht das Anhören und Auswählen leichter.

Wie läuft bei Ihnen der Auswahlprozess der Sprecher ab? Gibt es Castings oder wird die Auswahl lediglich anhand der Hörprobe getroffen?

Es gibt verschiedene Wege. Die erste Auswahl geschieht bei der Bewerbung selbst. Wenn uns die Hörproben zusagen und wir uns die Stimme gut in unseren Produktionen vorstellen können, laden wir zu einem Casting für unsere Kartei bei uns ein. So haben wir für das weitere Vorgehen eine spezielle Auswahl an Hörproben, die auf unsere Projekte zugeschnitten sind. Der nächste Schritt passiert im Projekt selbst. Hier versenden wir entweder die zuvor erwähnten Hörproben aus der Datenbank oder wir veranstalten Live-Castings. Live-Casting bedeutet, dass wir einige Takes einer zu besetzenden Rolle mit verschiedenen SprecherInnen aufnehmen und zur Auswahl verschicken. Die letzte Entscheidung liegt aber in jedem Fall beim Endkunden.

Wie genau laufen die Castings ab?

Die SprecherInnen werden zu einem Casting bei uns vor Ort eingeladen. Das Ganze dauert in der Regel etwa eine halbe Stunde. Dort testen wir alles Mögliche aus, z.B. wie gut das Schauspiel ist, verschiedene Genres, Sprechtechniken oder das Durchhaltevermögen. Kurz gesagt: Wir testen, wie gut und wie flüssig wir durch eine tatsächliche Projektaufnahme durchkommen würden oder ob wir eine Nische erkennen können, in der die SprecherIn besonders gut einsetzbar ist.

Welchen Tipp würden Sie jungen Schauspielabsolventen geben, die als Sprecher den Einstieg schaffen möchten?

Das Spiel ist in jedem Fall das Wichtigste! Denn vor dem Mikrofon hast du nur deine Stimme als Instrument. Was sonst noch hilfreich ist, ist die Arbeit vor und mit dem Mikrofon zu üben – die Sprechtechniken. Nimm dich selbst zu Hause auf und höre es dir an. Meist weiß man ganz genau, wie ein Take zu klingen hat, bekommt es aber einfach nicht so raus. Das erfordert Übung. Vergleiche die Aufnahmen mit Profi-SprecherInnen bzw. Vorbildern. Wie gestalten sie den Take? Was machen sie vielleicht anders? Versuche ihnen nachzusprechen. Wenn du dich gut vorbereitet fühlst – das ist wichtig, denn du hinterlässt einen bleibenden Eindruck von dir und deiner Stimme – kannst du anfangen, dich bei Studios zu bewerben. Am besten ist es, einen persönlichen Eindruck zu hinterlassen. Wenn du also zu einem Casting eingeladen wirst, dann am besten direkt vor Ort. Frage auch nach ehrlichem Feedback, das wird dir in jedem Fall weiterhelfen. Wenn du soweit bist, ist es ratsam, sich bei mehreren Studios zu bewerben und auch außerhalb des eigenen Bundeslandes zu schauen. Es schadet sicherlich auch nicht, an Orten zu wohnen, in denen es viele Jobmöglichkeiten als SprecherIn gibt.

Können Sie etwas zu den Verdienstmöglichkeiten der Sprecher bei Ihnen sagen?  

Es kommt ganz auf die Art des Projektes an. Bei Games verdienst du in der Regel weniger als z.B. bei Werbung, dafür macht es aber viel mehr Spaß (grinst). Hollywood-Feststimmen können aufgrund ihrer Erfahrung und Position natürlich ganz andere und deutlich höhere Preise aufrufen als „normale“ Profi-SprecherInnen. Du kannst dich auch etwas an dem Verband Deutscher Sprecher orientieren. Dort ist eine Liste mit verschiedenen Preisstufen für verschiedene Projekte aufgeführt. Diese ist aber vorrangig für erfahrenere SprecherInnen ausgelegt. Wenn du gerade erst startest, wirst du wahrscheinlich, wie in vielen anderen Bereichen, etwas darunter liegen. Zudem ist es ist sehr selten, dass du mit nur einem Studio bzw. Kunden dein gesamtes Leben finanzieren kannst. Daher ist es immer gut, mit mehreren Kunden zu arbeiten. Interview: Oliver Jensen