Aylin Tezel wurde als Schauspielerin unter anderem durch den „Tatort“ bekannt, führt zudem Regie und liest neuerdings auch Hörbücher. Das Audible Original Hörbuch „Loch Dorcha: See der Verdammten“ ist nun erschienen (hier abrufbar). Dies ist ein atmosphärisch dichter Mystery-Thriller, der tief in die Abgründe der menschlichen Seele eintaucht. Es geht um Schuld, lange zurückliegende Familiengeheimnisse und die furchtlose Suche nach der Wahrheit. Im Interview liefert Tezel Einblicke in die Entstehung.

(Copyright Audible _ Dirk Mathesius_Loch Dorcha)
Frau Tezel, Sie haben das Audible Original Hörbuch „Loch Dorcha: See der Verdammten“ gelesen. Wie bereiten Sie sich auf so eine Aufgabe vor?
Ich bin das erst einmal wie eine normale Schauspielrolle angegangen. Das heißt, man hat seinen absoluten Schatz – das ist das Drehbuch bzw. in diesem Fall das Manuskript, worin man ganz viele Informationen über eine Figur bekommt. Wie verhält sich eine Figur in bestimmten Momenten? Wie wird einem diese Figur gezeigt, wenn sie alleine ist? Das finde ich immer besonders interessant, weil man in diesen Szenen sehr viel über einen Menschen erfährt. Man hat zum Beispiel eine Figur, die anderen gegenüber sehr offen und gesprächig ist, alleine aber plötzlich ganz klein und ganz still. Diese Diskrepanz ist spannend: was ist der Kern einer Figur, und wie zeigt sie sich der Außenwelt. Inwiefern kann ich diesen Kern in Momenten mit anderen Figuren vielleicht trotzdem durchblicken lassen?
Wie lief die Arbeit am Hörbuch ab. Haben Sie komplette Kapitel am Stück gelesen oder lediglich einzelne Takes?
Das war von Moment zu Moment und von Tag zu Tag unterschiedlich, denn das eigene Empfinden ist ebenfalls von Tag zu Tag unterschiedlich. Manchmal ist man vielleicht ein bisschen müde, dann ist die Stimme auch müde. Oder man ist am Anfang des Tages total auf Zack, hat gerade einen Kaffee gehabt. Das zeigt sich dann auch in der Stimme. Zwei Stunden später lässt die Konzentration nach und man verhaspelt sich ständig. Sehr wichtig war für mich unsere Synchronregisseurin Jana Ronte. Sie hat mich darauf aufmerksam gemacht, wenn ich über Sachen hinwegging, wenn irgendwas nicht klar war, wenn sie eine andere Variante haben wollte, oder auch einfach wenn es Zeit für eine Pause war. Das ist total wichtig, weil man irgendwann an seine Grenzen kommt. Wenn man morgens um neun Uhr anfängt, ist am Nachmittag um vier oder fünf Uhr einfach Schluss. Dann macht die Stimme nicht mehr mit. Die Konzentration ist dann ebenfalls weg.
Das Thema Künstliche Intelligenz beschäftigt nahezu alle Branchen. Gerade bei Sprecher-Jobs gibt es die weit verbreitete Befürchtung, dass die KI dies bald übernehmen könnte. Teilen Sie diese Sorge?
Ehrlich gesagt beschäftige ich mich nicht so viel mit Befürchtungen, ich gehe lieber mit der Realität um, so wie sie sich mir zeigt. Ich persönlich sehe eine Kraft und eine Schönheit in der Echtheit, in der Nahbarkeit von Menschen, etwas dass eine KI gar nicht erreichen kann. Wenn ich aber in einer Gesellschaft lebe, die sich dafür entscheidet, KI der Echtheit von Menschen vorzuziehen, kann mich das natürlich traurig machen oder stutzig.


