Der deutsche Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ von Netflix hat bei der Oscar-Verleihung gleich vier Auszeichnungen gewonnen. Damit war der Film von Regisseur Edward Berger der zweiterfolgreichste Film bei den Academy Awards.
Noch mehr Oscars gewann lediglich der Fantasy-Abenteuerfilm „Everything Everywhere All at Once“ (dt. Alles, überall, sofort), der gleich sieben Oscars einheimste – unter anderem in den Kategorien Bester Film, Beste Regie (Daniel Kwan, Daniel Scheinert), Beste Hauptdarstellerin (Michelle Yeoh), Bester Nebendarsteller (Ke Huy Quan) und Beste Nebendarstellerin (Jamie Lee Curtis).
„Im Westen nichts Neues“ war für insgesamt neun Oscars nominiert. Der Film gewann die Auszeichnung in den Kategorien Bester internationaler Film, Beste Kamera (James Friend), Bestes Szenenbild (Christian M. Goldbeck, Ernestine Hipper) und Beste Filmmusik (Volker Bertelmann).
Der Film ist erst das vierte Werk aus Deutschland, das den Oscar als Bester internationaler Film holt. Dies gelang zuvor lediglich „Das Leben der Anderen“ (2007), „Nirgendwo in Afrika“ (2003) und „Die Blechtrommel“ (1980).
In der Kategorie Bester Hauptdarsteller wurde Brendan Fraser für seine Darstellung in dem Film „The Whale“ ausgezeichnet.
In ca:stmag II/2023 erscheint ein Interview mit Darsteller Aaron Hilmer, Auszug davon vorab hier:
Aaron Hilmer: „Beim Casting ein bisschen aus dem Fenster gelehnt“
Herr Hilmer, Sie haben in Ihrer jungen Karriere bereits viele große Rollen gespielt und sind derzeit in der Amazon-Prime-Serie „Luden“ zu sehen, in der Sie einen aufstrebenden Zuhälter der früheren sogenannten Nutella-Bande spielen. Wie bereiten Sie sich auf solche Rollen vor?
Das ist immer ein bisschen unterschiedlich. Vor den Dreharbeiten für Luden habe ich mit dem Schauspiel-Coach Frank Betzelt intensiv zusammengearbeitet. Außerdem war es mir wichtig, mich mit der damaligen Zeit auseinanderzusetzen. Die Serie spielt in den 1980er Jahren. Ich habe mir viele Fotoarchive angeschaut und mich davon inspirieren lassen. Außerdem habe ich mit einem ehemaligen Kommissar einen Rundgang über den Kiez gemacht, sodass ich die genauen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Örtlichkeiten noch besser verstehen konnte.
Arbeiten Sie regelmäßig mit einem Schauspiel-Coach zusammen?
Ja, ich würde auf das Coaching von Frank Betzelt nicht mehr verzichten wollen. Ich habe so viel Gutes über ihn gehört und wollte ihn und seine Arbeit unbedingt kennenlernen. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Er gibt mir eine große Sicherheit. Ich habe durch das Coaching viel gelernt – nicht nur für das Projekt „Luden“, sondern auch für viele andere Projekte und generell darüber, wie ich funktioniere.
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Eine weitere erfolgreiche Produktion von Ihnen ist der Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“, der für neun Oscars nominiert wurde. Wann wurde Ihnen bewusst, dass dies ein ganz besonderer Film werden könnte?
Von Anfang an. „Im Westen nichts Neues“ ist einfach ein Klassiker, das ist Weltliteratur. Mir war klar: Wenn ein Regisseur wie Edward Berger diesen Stoff annimmt, dann werden die Dreharbeiten sicher eine große und besondere Reise. Und je näher der Drehstart heranrückte, desto mehr hat sich das bestätigt. Insgesamt war das eine wahnsinnig sensible und liebevolle Arbeit.
Sie haben Ihre Rollen in „Luden“ und „Im Westen nichts Neues“ beide über einen intensiven Casting-Prozess ergattert. Wie gehen Sie generell Castings an?
Ich habe eine Vermutung, warum das in diesen beiden Fällen eventuell funktioniert hat. Und zwar, weil ich mich getraut habe, in eine sehr extreme Figur hineinzugehen. Ich habe mich dadurch ein bisschen aus dem Fenster gelehnt. Offenbar hat das überzeugt. In beiden Fällen hatte ich auch die Möglichkeit dazu, weil das super spannende und extreme Figuren waren.
Das heißt, man sollte versuchen, bei einem Casting irgendwie herauszustechen?
Ich glaube, wenn sich das anbietet, sollte man diese Möglichkeit nutzen Es gibt aber kein Rezept dafür, wie man ein Casting bekommt, es ist immer eine neue Erfahrung.
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Wie kam es dazu, dass Sie ein komplettes Jahr nicht vor der Kamera standen?
Ich hatte 2021 ein sehr intensives Jahr, in dem ich sehr viel gedreht habe – und zwar „Im Westen nichts Neues“, die 2. Staffel von „Sløborn“ und „Luden“. Das war eine Menge Arbeit. Nach den Dreharbeiten von „Luden“ erwischte mich ein persönlicher sehr emotionaler Schicksalsschlag. Das hat mich ausgeknockt. Ich habe eine Pause gebraucht. Das war für mich allerdings auch etwas einfacher, weil ich wusste, dass „Im Westen nichts Neues“ und „Luden“ erscheinen würden. Ansonsten wäre mir das sicherlich viel schwerer gefallen, eine Ruhezeit zu nehmen.
Weil man befürchtet, in Vergessenheit zu geraten…
Genau. Ich habe in einer Dokumentation gesehen, dass Marlon Brando einmal Johnny Depp gesagt haben soll: „Jeder hat nur eine begrenzte Anzahl an Gesichtern.“ Ich denke, wenn man die Möglichkeit hat, sich das aufzusparen, sollte man das tun. Aber natürlich ist das auch ein Luxus und ein Traum, so etwas ganz frei entscheiden zu können. Interview: Oliver Jensen
Das ist… Aaron Hilmer
Aaron Hilmer (Jahrgang 1999) stand bereits in der frühen Jugend vor der Kamera und hatte unter anderem eine wiederkehrende Serienrolle in der Kinderserie „Die Pfefferkörner“. Weiterhin war er über die Jahre in verschiedenen Fernsehformaten wie „Tatort“ oder „Ein Fall für zwei“ zu sehen. 2018 übernahm er die Hauptrolle in der Teenagerkomödie „Das schönste Mädchen der Welt“ und wurde mit dem „Bunte New Faces Award“ ausgezeichnet. Zuletzt spielte er Hauptrollen in dem Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ und der Prime-Video-Serie „Luden“