Intimitätskoordinatorin Julia Effertz verrät, was eine gute Sexszene ausmacht

Julia Effertz ist in Deutschland als die vielleicht erste Intimitätskoordinatorin bekannt. In einem aktuellen Interview der funky-Jugendreporterin Emely Hofmann, das im „Hamburger Abendblatt“ erschienen ist, liefert sie Einblicke in ihre Arbeitsweise. „Eine Intimitätskoordinatorin oder ein Intimitätskoordinator ist eine technisch-künstlerische Fachkraft, die intime Inhalte bei Film, Fernsehen und Bühne plant, koordiniert und absichert“, sagt sie über ihre Arbeit. Einfach ausgedrückt: Sie ist für Sex- und Liebesszenen zuständig.

„Der Hauptteil meiner Arbeit ist die Vorbereitung“, erzählt sie. „Ich schaue mir das Skript an, schätze Szenen ein und mache eine Gefährdungsbeurteilung psychosomatischer Risiken. Eine solche Beurteilung ist gesetzlich vorgeschrieben in Deutschland. Dann geht es an die Ausarbeitung. Dafür spreche ich mit der Regie, um herauszufinden, was ich umsetzen kann und was mit der Szene ausgedrückt werden soll. Dabei spielt der Konsens der Schauspielenden eine zentrale Rolle“, verrät Effertz.

Erst wenn alles abgeklärt ist, beginnt die Choreographie. „In den Proben verkörpern wir das, was wir vorher erarbeitet haben. Erstmals nur ganz technisch, im zweiten Schritt kommen dann auch die Psyche und die Gefühle der Figur dazu. Wenn wir die Szene erarbeitet haben, mache ich auch die Set-Begleitung. Ich bin bei allen intimen Szenen dabei und stehe am Monitor. Der letzte Arbeitsschritt ist die Nachsorge, wo ich mit den Schauspielenden über die gedrehte Szene spreche.“

Auf die Frage, ob die Leidenschaft bei intimen Szenen überhaupt eine Rolle spielen darf, antwortet Effertz: „Schauspiel ist ein Handwerk. Auf der einen Ebene ist es sehr technisch. Bei Dialogszenen zum Beispiel muss ich meinen Text kennen und wissen, wo ich stehe. Bei der Intimität ist es genauso – ich brauche die Technik, muss aber auch in die Figur eintauchen. Das heißt, die Schauspielenden müssen sich auch damit auseinandersetzen, was die Figur fühlt, wenn sie Lust und Begehren empfindet. Das darf man dann empfinden – als die Figur. Es muss aber immer zwischen dem privaten Ich und der Figur differenziert werden.“

Was eine gute intime Szene für sie ausmacht? „Gute intime Szenen zeigen mir, was die Figuren mit ihren Berührungen verhandeln“, antwortet sie. „Perfekt ausgeleuchtete Montagen mit Sixpacks und straffen Körpern interessieren mich nicht. Geschmäcker sind natürlich verschieden, aber für mich muss die Bedeutungstiefe bei einer Sexszene erkennbar sein.“

Der Beruf des Intimitätskoordinators blickt auf rund 20 Jahren Berufspraxis zurück. In den USA wird bereits seit dem Jahre 2004 auf solche Spezialisten zurückgegriffen. „Bei uns in Deutschland tut sich inzwischen auch etwas“, sagt Effertz. Dennoch sei für die Anerkennung dieser Tätigkeit noch viel zu tun. „Es wird oft als Coaching oder Wohlfühl-Arbeit bezeichnet. Das ist es aber nicht. Wir sind nicht nur zum Schutz da, sondern eine eigenständige Kunstpraxis. Wir können keine hundertprozentige Sicherheit garantieren – dass sich alle wohlfühlen, schonmal gar nicht. Solche Szenen sind nun mal schräg. Es geht eher darum, sich professionell zu fühlen.“