Der Regisseur Steffen Mahnert führt bereits seit dem Jahr 2015 regelmäßig Regie bei „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“. Zudem realisierte er auch Episoden anderer Fernsehformate wie zum Beispiel „Die Bergretter“ oder „Rote Rosen“. Im ca:stmag-Interview verrät er, wo die Besonderheiten einer Krankenhausserie liegen (Auszug aus dem Report Krankenhausserie in Ausgabe II/2024)

Herr Mahnert, was macht für Sie den Reiz einer Krankenhausserie wie „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ aus?
Speziell bei einer Krankenhausserie sind die Fälle, denen wir uns in den Folgen zuwenden, sehr spannend. In jeder Folge gibt es ein ganz anderes Thema. Natürlich kommen die Hintergründe der Figuren dazu, aber eben auch deren Krankheitsbilder. Wir sind dabei sehr nahe an der Realität – auch wenn das oft sehr spezielle Fälle aus dem Bereich der Medizin sind. Auch die ganzen Operationen werden sehr realistisch nachgestellt. Es ist spannend, sich in diese
Thematik einzuarbeiten. Hinzu kommt, dass „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ eine Ensembleserie ist. Das unterscheidet die Serie von vielen Kriminalserien, die es im deutschen Fernsehen gibt. Wir haben die Herausforderung, das Ensemble in seinen Geschichten zu bedienen. Denn in einem Krankenhaus spielen sich viele persönliche Geschichten ab.
Wie wird die Serie bzw. eine Staffel unter mehreren Regisseuren aufgeteilt?
Pro Staffel gibt es bis zu 14 Regisseure. Jeder Regisseur realisiert innerhalb von gut drei Wochen – meist sind es 16 Drehtage – einen Block. Dieser Block besteht aus drei Folgen. Über eine komplette Staffel haben wir 14 Blöcke und somit 42 Folgen, die im Jahr entstehen. Manchmal ist ein Regisseur innerhalb eines Jahres auch für zwei Blöcke und somit sechs Folgen verantwortlich. Als Regisseur bin ich allerdings nicht nur für den Dreh zuständig, sondern auch in die Vor- und Nachbereitung involviert.
Während die Hauptdarsteller der Serie vorab feststehen, sind für jede Folge Episodenrollen zu besetzen. Inwieweit sind Sie bei Ihren Episoden in den Casting-Prozess eingebunden?
Wir Regisseure sind da voll eingebunden. Wir casten komplett die Episodenrollen. Die Casterin macht uns Vorschläge, wir bringen aber auch selber Vorschläge mit ein. Das diskutieren wir dann in einer kleinen Runde. Letztendlich ist man als Regisseur, Produzent und Redaktion verantwortlich für die Besetzung, die man ausgewählt hat.
Geben Sie uns gerne einen Einblick in den Casting-Prozess. Episodenrollen werden ja meistens per Showreel besetzt…
Das ist richtig, in diesen Fällen läuft die Besetzung meist per Showreel. Anders ist es natürlich, wenn neue Hauptdarsteller, zum Beispiel für die Rollen der Ärzte, gesucht werden. Dann machen wir natürlich ein Casting vor Ort. Dies läuft über mehrere Runden und mit Kostüm sowie Maske. Der Aufwand ist natürlich viel größer, denn im Idealfall bleiben die Schauspielerinnen und Schauspieler für viele Jahre bei uns. Bei den Episodenrollen wäre das nicht machbar. Wir haben pro Folge drei Rollen zu besetzen, also pro Block ungefähr neun Rollen. In seltenen Fällen bleibt eine Gastrolle auch für zwei Folgen. Aber das ist insgesamt sehr viel Besetzungsarbeit. Dies lässt sich nur per Showreels oder per E-Casting machen.
Hilft es, wenn man passende Szenen aus dem Krankenhaus-Umfeld auf dem Showreel hat?
Manchmal kann es vielleicht dabei helfen, eine Rolle etwas einfacher zu antizipieren. Aber grundsätzlich ist das nicht entscheidend. Entscheidend ist der persönliche Ausdruck, den man der jeweiligen Rolle auf dem Showreel verliehen hat. Von daher ist es immer wichtig, gute Nahaufnahmen von sich auf dem Showreel zu haben.
Die Gastdarsteller spielen vielfach Menschen in Ausnahmesituationen, weil sie in ihrer Rolle zum Beispiel von einer schweren Krankheit betroffen sind oder um ihre Angehörigen zittern. Würden Sie mir recht geben, dass Episodenrollen in Krankenhausserien daher besonders anspruchsvoll sind?
Ja, das stimmt. Natürlich trifft das auch auf andere Serienformate zu – beispielweise bei Krimiserien, wenn Kommissare anklopfen und den Tod eines Angehörigen übermitteln. In unserem Fall muss man sich natürlich innerhalb kurzer Zeit auf diese Ausnahmesituationen einlassen. Aber viele Schauspielerinnen und Schauspieler lassen sich auch sehr gerne darauf ein, weil sie diese Emotionen in ihrer ganzen Bandbreite spielen möchten. Man muss aber dazusagen: Grundsätzlich gibt es bei uns mehrere Handlungsstränge, die teilweise auch lustig sein können. Wir haben nicht nur das große Drama, sondern auch komische Fälle.
Haben Sie erlebt, dass einige Schauspielerinnen und Schauspieler große Schwierigkeiten damit haben, emotionale Szenen innerhalb relativ kurzer Zeit hinzubekommen?
Ja, auf jeden Fall. Das liegt manchmal auch einfach an der Tagesform. Wir sind alle Menschen, und manchmal kann man eben nicht den Raum betreten, den man sich vielleicht innerlich für eine Emotion gebaut hat. Da sind wir natürlich auch als Regisseure gefordert, die Schauspieler da so gut wie möglich zu begleiten und denen auch eine Hilfestellung zu geben, wie sie vielleicht zu der Emotion kommen können.
Führen Sie bereits vor den Dreharbeiten mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, die eine größere Episodenrolle spielen, Gespräche? Oder treffen sie erst im Studio aufeinander?
Nein, auf keinen Fall. Ich kann natürlich nicht für all meine Kollegen sprechen, aber ich führe immer ein Vorgespräch. Das ist mir wichtig. Ich komme ja selber aus der Schauspielerei, bin also ein studierter Schauspieler. Mir ist wichtig, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler bereits vor dem Dreh einige Dinge wissen, zum Beispiel, dass die Texte nicht in Stein gemeißelt sind. Wir haben zwar eine sehr, sehr gute Drehbuchabteilung, die sehr viel gute Arbeit leistet, aber dennoch ist vielleicht nicht jedes Wort jeder Rolle bis ins letzte Detail wirklich ausformuliert. Außerdem ist es mir wichtig, dass wir über die Rolle sprechen, denn vielleicht hat man auch unterschiedliche Vorstellungen. Natürlich gibt es zu jeder Rolle ein Rollenprofil, und einigen ist vollkommen klar, wohin die Rolle geht. Bei anderen kommt vielleicht eine zweite oder dritte Ebene hinzu, die man mitspielt. Daher ist ein Vorgespräch für mich sehr wichtig.
Wenn Sie gerade die Drehbuchabteilung ansprechen: Inwiefern sind Mediziner in die Entwicklung der Geschichten eingebunden?
Die Drehbücher werden von Ärzten gegengelesen – und zwar nicht erst in der Endfassung, sondern auch bereits in der Entwicklung. Schon am Anfang der Entwicklung einer Folge sind Ärzte involviert. Auch am Set haben wir dauerhaft eine medizinische Fachberatung, wenn entsprechende Szenen gedreht werden. Diese Mitarbeiter sind sehr wichtig, weil sie gerade auch unserem Hauptcast mit vielen Handgriffen helfen können. Wie packt ein Arzt nicht nur den Patienten an, sondern zum Beispiel auch das Operationsbesteck? Wir bewegen uns dabei sehr nahe an der Realität.
Interview Oliver Jensen