Tobias Moretti im Exklusiv-Interview: „Ich kann mir meinen Beruf ohne Theater nicht vorstellen“

Zusätzlich zu den Interviews im Magazin erscheinen auf castmag.de exklusive Interviews und ergänzende Informationen unter teils anderen Aspekten zu den Interviews im Magazin.
Aktuell unter anderem mit Casting Direktorin Daniela Tolkien, Regisseurin Barbara Eder, Theaterhaus-Leiter Werner Schretzmeier und Schauspieler Tobias Moretti, der erstmals gemeinsam mit seiner Tochter gedreht hat.

Tobias Moretti ist ab Sonntag, dem 15. Januar, gemeinsam mit seiner Tochter Antonio Moretti in dem Film „Der Gejagte – Im Netz der Camorra“ auf Magenta TV zu sehen – der Fortsetzung von „Im Netz der Camorra“. Im Interview mit ca:stmag und CASTFORWARD spricht der Österreicher über die Zusammenarbeit mit seiner Tochter, über seine Liebe zum Theater und über die Bedeutung von Agenturen.

Tobias Moretti in "„Der Gejagte – Im Netz der Camorra“

Herr Moretti, in dem Film „Der Gejagte – Im Netz der Camorra“ stehen Sie wie bereits im Vorgänger gemeinsam mit Ihrer Tochter Antonia vor der Kamera. Inwiefern war es für Sie etwas Besonderes, mit Ihrer Tochter einen Film zu drehen und auch noch, wie in der Realität Vater-Tochter zu spielen?

Diese Besetzung kam durch den Regisseur und den Kameramann zustande, der mit Antonia schon einmal in einem Jugendfilm gearbeitet hatte, ich habe das nicht forciert, im Gegenteil. Umso mehr war ich erstaunt, wie klar und offen sie sich dieser dramatischen Herausforderung gestellt hat. Das Besondere bei diesem dritten Teil war für mich zu sehen, wie die Figur Laura weitergesponnen wird und wie Antonia sie für sich entwickelt und umgesetzt hat. Im ersten Teil war Laura fast noch ein Teenager, jetzt ist sie eine junge Frau, die um ihre Mutter trauert und gleichzeitig in ihrem Eingesperrtsein ihrem Vater, den sie nicht mehr begreift, eine unglaubliche ohnmächtige Wut entgegenbringt. Antonia spielt das mit starker Emotionalität und gleichzeitig mit großer Klarheit. Das hat mich beeindruckt.

Wie bereiten Sie sich grundsätzlich auf Ihre Rolle bei einem Film vor und wie macht ihre Tochter das? Haben Sie das in diesem Fall vielleicht auch zusammen gemacht?

Jeder bereitet sich logischerweise in seiner Vorstellung, in seiner Welt und mit seinen Möglichkeiten für sich vor. Man zerredet ja nicht im Vorhinein das Geheimnis einer Figur. Auch Antonia will diesen Rückzug und so was wie eine professionelle Distanz aufbauen. Wenn wir dann mit Rick Ostermann die Szenen geprobt und gebaut haben, war sie sehr fokussiert, stellt gute Fragen und springt hinein.

Ihre Tochter hat genauso wie viele andere junge Schauspieler/innen direkt im Film/Fernsehen begonnen, während Sie in Ihrer Anfangszeit viel Theater gespielt haben. Wie wichtig war die Theaterzeit für Ihre berufliche Entwicklung?

Man kann das wohl nicht verallgemeinern, aber für mich gilt, dass ich mir meinen Beruf überhaupt nicht vorstellen kann, ohne Theater zu spielen und zu denken. Der deutschsprachige Raum hat ein unglaublich hohes Niveau an Theaterkultur, und das ist quasi der Kern von dramatischem Denken. Nur die Mittel sind andere, aber das ist dann ein anderer Zugang. Theater – und übrigens auch Musik – bestimmen bis heute mein dramatisches Verständnis. Ich erarbeite eine Figur im Film ähnlich einer Theaterrolle, auch mein sprachlicher Anspruch an filmische Dialoge ist davon geprägt. Schon als junger Schauspieler konnte ich mit großen „Kapazundern“ des deutschsprachigen Theaters spielen, – für mich war das eine Schule und Prägung von größter Bedeutung.

Als Sie Ihre erste Fernsehrollen hatten, gab es noch längst nicht so viele Fernsehsender wie heute. Das deutsche Kino steckte in einer Krise und an Streaming-Anbieter wie heute war noch längst nicht zu denken. Ihre Tochter wächst also in einer völlig anderen Zeit auf. Ist die heutige Zeit für Schauspieler besser als damals oder vielleicht auch schlechter?

Sowohl meine Tochter als auch mein Sohn Lenz, der zunächst als Theaterschauspieler arbeiten wird, sind in diese Generation hinein geboren, sie kommen mit den jeweiligen Bedingungen klar und sie repräsentieren sie auch. Als ich die ersten Sachen fürs Fernsehen gemacht habe, hat im Prinzip jeder abends vor drei bis vier Sendern gesessen, und das hat auch Zuschauerrituale geprägt. Wenn ich alte Fernsehproduktionen sehe, bin ich immer wieder erstaunt, wieviel Zeit man einer Szene oder einem Dialog damals noch gegeben hat, weil die Sender sich nicht vor dem Wegzappen der Zuschauer fürchten mussten. Trotzdem haben wir in Deutschland und Österreich, vor allem durch die öffentlich-rechtlichen Sender, nach wie vor die privilegierte Situation, dass es eben auch Fernsehen auf sehr hohem Niveau und mit hohem Anspruch gibt. Der Unterschied zum Cineastischen ist, abgesehen von einer gewissen Bilddramatik, kaum erkennbar. Davon können andere Länder in Europa, wie Italien oder Spanien, nur träumen, die Telenovela ist da das Markenzeichen, und der Unterschied zum Kino entsprechend groß.

Wir haben in der kommenden Print-Ausgabe (ca:stmag I/2023, bereits erschienen, Red.) unter anderem das Schwerpunkt-Thema Agenturen. Sie werden von der Agentur Lambsdorff vertreten. Wie wichtig ist eine Agentur Ihrer Einschätzung nach für die Karriere eines Schauspielers? Es gibt ja auch durchaus bekannte Schauspieler, die sich selber vertreten oder einfach von der ZAV vertreten lassen…

Agenten und Agentinnen wie Andrea Lambsdorff haben großen Anteil daran, dass es die oben erwähnte hohe Qualität in unserer Medienlandschaft noch gibt, – denn als Bindeglied zwischen Produktionen und Akteuren fordern sie diese Qualität ständig ein. Sie bestärken ihre Schauspieler darin, keine halbherzigen Kompromisse einzugehen, für die Sorgfalt und Tiefe ihrer Figuren zu kämpfen, auch schmerzhafte Absagen zu riskieren, – und dabei manchmal einiges Geld auf der Straße liegen zu lassen. Meine vorigen Agenturen waren da nicht anders… vor allem Erna Baumbauer, die Legende unter den Agentinnen.

Welchen Tipp würden Sie jungen Schauspieler/innen geben, die ganz am Anfang Ihrer Karriere stehen?

Schaut euch Theater an, beschäftigt euch mit Dichtung, stellt euch dem wahren Leben jenseits der eigenen Bubble. Man kann unseren Beruf und das Leben nicht auseinanderdividieren.